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Mehrere Köpfe schnellten zu Ronny und Ken, der angewurzelt
stehen blieb und Ronny mit einer Mischung aus Abscheu und Ver-
wunderung anstarrte.
Meinen Sie mich?
Ronny lachte laut. Ah, ich verstehe schon. Du hast es ihnen noch
nicht gesagt.
Wem habe ich was nicht gesagt?
An die Mitarbeiter gewandt sagte Ronny großspurig: Er muss noch
lernen, damit in der Öffentlichkeit umzugehen.
201/211
Verschmitzt lächelte er Ken an, der so verwirrt war, dass er nichts
erwiderte.
Eigentlich wollte ich dich nur schnell etwas fragen. Ronny kramte
in seiner Umhängetasche und holte einige Fetzen Papier hervor.
Hier, für unser Schlafzimmer, Schatz. Welche Tapete passt besser?
Ich bin eher für die mintgrüne, aber irgendwie weiß ich nicht, ob
das zur Bettwäsche passt.
Wenn Sie nicht auf der Stelle dieses Unternehmen verlassen,
dann&
Ah, Ken, zu dir wollte ich gerade.
Ein Mann, den Ronny auf Mitte fünfzig schätzte, kam herbei und
unterbrach ihr Gespräch. Dem Foto der Unternehmenswebseite
nach zu urteilen war das Kens Chef Theo.
Theo, das ist gerade ein schlechter Zeitpunkt.
Ronny schaltete sofort.
Sind Sie der Vorgesetzte von Ken?
Theo nickte und Ronny gab ihm die Hand.
Ronny Meinhoff. Ich bin Kens Lebenspartner.
Theos Augen weiteten sich wissend.
Tatsächlich! Ich wusste gar nicht, dass er einen Partner hat. Ken
hält sich ja sehr bedeckt, was sein Privatleben angeht.
Ja, er ist sehr diskret , lächelte Ronny und stupste Ken mit seinem
Ellenbogen an. Ken sah stocksauer aus, aber vor Theo wollte er sich
wohl keine Blöße geben. Bisher hatte ihm das Gerücht, schwul zu
sein, berufliche Vorteile gebracht und was seiner Karriere gut tat,
hatte er noch nie gemieden.
Ronny wollte gerade gehen , sagte Ken und schob Ronny ein Stück
Richtung Fahrstuhl.
Das ist aber schade , meinte Theo. Ich hoffe doch, Sie kommen
zum Sommerfest nächste Woche, Herr Meinhoff. Das ist immer
eine sehr lustige Veranstaltung.
Auf jeden Fall, danke! Ich komme sehr gerne mit.
202/211
Nachdem sich Theo von Ronny verabschiedet hatte, schubste Ken
Ronny unsanft zum Fahrstuhl.
Wenn diese ganze Geschichte vorbei ist, werden Sie es noch bitter
bereuen.
Bis später, Schatz! , trällerte Ronny und küsste Ken auf den Mund.
Bevor Ken ihm Gewalt antun konnte, war Ronny in den Fahrstuhl
gesprungen und winkte zum Abschied.
***
Das Sommerfest fand nur wenige Tage später am Samstag statt und
Hannah hatte es geschafft, Theo zu überreden, Karten für uns
rausspringen zu lassen.
Ich fuhr zusammen mit meinen Mädels in die große Veranstaltung-
shalle. Unter einem Sommerfest hatte ich mir eine große Wiese
vorgestellt, auf der Würstchen verkauft wurden. Stattdessen waren
wir in einem festlich geschmückten Pavillon. Es hätte mich nicht
gewundert, gegrillten Hummer statt einer Bratwurst serviert zu
bekommen bei diesem Ambiente. Die Versicherung musste gute
Gewinne einfahren, wenn sie dieses Event lapidar Sommerfest
nannte.
Da wir wussten, wo Ken mit Ronny sitzen würde, konnten wir un-
sere Plätze mit Bedacht wählen, ohne von Ken entdeckt zu werden.
Ronny und Ken kamen kurz vor Beginn der Veranstaltung und set-
zten sich. Ronny sah fabelhaft aus: er glich einem Paradiesvogel in
seiner bunten Weste mit der überbreiten Krawatte und der weißen
Hose. Ken war es sichtlich unangenehm, sich öffentlich mit Ronny
zu zeigen. Es erschreckte mich, wie versessen er war, die Karriere-
leiter zu erklimmen. Leugnen nützte ohnehin nichts, wie wir fest-
gestellt hatten, denn jeder in der Firma glaubte bereits, dass Ken
schwul war er benahm sich also wie immer und nutzte alle
Vorteile dieser neuen Situation aus.
203/211
Theo begrüßte alle Gäste und eröffnete die Veranstaltung. Es war
ein Zauberer eingeladen worden, der nach dem Essen eine Zauber-
show zeigte. Ich beobachtete Ken die ganze Zeit über. Während
Ronny sich prächtig amüsierte, bestellte Ken einen Schnaps nach
dem nächsten und hatte innerhalb kürzester Zeit einen Schwips.
Vermutlich dachte er, so lasse sich die Situation besser aushalten.
Als der Zauberer seine Show beendet hatte, kletterte Theo erneut
auf die Bühne und begann mit einer Rede. Er dankte allen Mit-
arbeitern für die Mühen in diesem ersten Halbjahr, für ihre Motiva-
tion und ihren Einsatz. Ganz besonders lobte er tatsächlich Ken
und überraschte ihn mit der Auszeichnung Mitarbeiter des Monats
Juni .
Einen großen Applaus für Kenneth Robinson, meine Damen und
Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ronny musste Ken in die Seite stoßen, damit er aufstand und auf
die Bühne torkelte, um seine Urkunde entgegenzunehmen. Kurzer-
hand schnappte er sich Theos Mikrofon und begann seine Art einer
Dankesrede.
Liebe Ko...Kolleginnen und Kollegen.
Man konnte ihn fast nicht verstehen, so sehr lallte er. Alle hörten
ihm angestrengt zu. Einige kicherten.
Diese Versicherung ist scheiße.
Ich traute meinen Ohren nicht und auch die Menschen um uns her-
um begannen plötzlich zu tuscheln.
Die Versicherung ist scheiße und ihr seid scheiße. Er machte eine
schwungvolle Bewegung mit seinem Arm, als er auf das gesamte
Publikum zeigte.
Theo versuchte, Ken das Mikrofon zu entreißen, aber er konnte es
verteidigen.
Ihr denkt alle, ich bin schwul, aber das stimmt nicht. Das stimmt
nicht! Ich hasse Schwule! Aber Theo bevorzugt Schwule, also habe
ich mitgespielt.
204/211
Theos Frau sprang empört auf. Theo selbst schien eine Herzattacke
zu erleiden und die Gäste waren schockiert. Ken sprach unbeirrt
weiter.
Ich bin kein Homo! Im Gegenteil, ich bin verheiratet, auch wenn
meine Frau leider herausgefunden hat, dass ich fremdgegangen bin
und nun nichts mehr von mir wissen will.
Ich musste dringend die Scheidungspapiere einreichen. Gleich
morgen.
Dieses ganze Unternehmen ist ein Haufen von Scheinheiligen, die
so tun, als sei alles in Ordnung. Einen Schwulen zum Gleichs-
tell& Gleich& Gleichstellungsbeauftragten zu machen, ist diskrimin-
ierend! You re a bunch of&
Theo schaffte es endlich, seine Fassung wiederzuerlangen und riss
Ken das Mikrofon aus der Hand. Die Gäste waren zum Teil aufge-
sprungen und riefen Ken ihre Meinung entgegen, anderen war die
Situation so peinlich, dass sie wegsahen. Ken trottete von der
Bühne und jemand warf mit einer zusammengeknüllten Menükarte
nach ihm.
Wir beeilten uns, die Halle so schnell wie möglich zu verlassen und
waren zu schockiert, um noch miteinander zu sprechen.
***
Ken erhielt nach seinem Auftritt eine fristlose Kündigung, wie Theo
Hannah berichtete. Natürlich erklärte er Theo seine Theorie, ich
habe das alles inszeniert und wolle ihm übel mitspielen. Da ich
nicht direkt dazu befragt wurde, sondern alle Informationen ledig-
lich über Hannah bezog, ließ ich es so stehen. Ken fand schnell eine
Anstellung in den USA, wo er sofort hinzog. Ich wusste zu diesem
Zeitpunkt noch nicht, dass es mehr als zwei Jahre dauern würde,
ehe wir wieder Kontakt hatten, trotz Mikes intensiver Bemühun-
gen, ihn zu einem Besuch zu bewegen. Trotz allem bestand ich da-
rauf, dass Mike regelmäßig zu ihm zu Besuch flog.
205/211
Eigentlich hätte ich ein Gefühl süßer Genugtuung haben sollen, weil
ich seinen Ruf als Frauenheld zerstört hatte, aber ich fühlte mich
elendig. Es war nie unsere Intention gewesen, ihn kündigen zu
lassen oder sein Leben zu zerstören und es tat mir unheimlich leid,
dass unser Plan aus dem Ruder gelaufen war.
Ich werde mich nie wieder an jemandem rächen , sagte ich zu
Mike.
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